_136_ Einfache Verhältnisse
Die jüngst zur Nobelpreisträgerin gekürte Annie Ernaux erinnert sich an ihren Vater:
Bis Ende der Fünfzigerjahre aß er morgens Suppe, erst dann ging er zum Milchkaffee über, wenn auch widerstrebend, als würde er einer weiblichen Marotte verfallen. Er schlürfte den Kaffee mit dem Löffel, wie Suppe. Um fünf Uhr nachmittags aß er einen kleinen Imbiss, Eier, Radieschen, Salzkartoffeln, und begnügte sich abends mit einer Suppe. Mayonnaise, Kuchen und komplizierte Soßen stießen ihn ab.
Und später über die soziologische Bedeutsamkeit solcher Marotten:
Diese Details zu entschlüsseln, ist für mich umso notwendiger, als ich sie verdrängt hatte, überzeugt von ihrer Bedeutungslosigkeit. Doch die Erniedrigung hat sie meinem Gedächtnis eingeschrieben. Ich habe mich dem Willen der Welt, in der ich lebe, gefügt, einer Welt, die einen die Herkunft aus einfachen Verhältnissen vergessen machen will, als wäre sie ein Ausdruck schlechten Geschmacks.
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