With a taste of a poison paradise
Gemäß ihrer Natur ist die Kaffeepflanze toxisch: Koffein ist ein Insektizid, mit welchem sie sich gegen das durch die Tropen schwirrende Ungeziefer zur Wehr setzte. Seine Zweckentfremdung macht die am weitesten verbreitete und gesellschaftlich akzeptierte, psychoaktive Droge.
Wie Entkoffeinieren?
Schon eine Weile werden dem Kaffee die Zähne gezogen. Das erste Entkoffeinierungsverfahren wurde 1905 patentiert. Ludwig Roselius gründete die Firma Kaffee Hag, die vielleicht noch als Marke bekannt ist. Auf Wikipedia kann man lesen, dass er hinsichtlich der Giftigkeit nicht ganz falsch lag:
Roselius hatte den Verdacht, dass sich sein zuvor verstorbener Vater, der ein starker Kaffeetrinker war, mit Koffein vergiftet habe. Daher suchte er nach einer Möglichkeit, dem Kaffee das Koffein zu entziehen. Beim Roselius-Verfahren werden die Bohnen mit Salzwasser vorgequollen. Als Lösungsmittel kam zuerst das giftige und krebserregende Benzol in der Extraktion zum Einsatz, weshalb dieses Verfahren heute nicht mehr verwendet wird.
Den Teufel mit Beelzebub austreiben nennt man das wohl. (Und was heißt das wiederum für einen Nazi-Sympathisanten, wie Roselius?) Trinkt man absurde Mengen Kaffee, kann man sich eine Vergiftung einfangen. 1g Koffein führt zu
Sprachstörungen, Muskelkrämpfen, Tachykardie und Herzrhythmusstörungen, Hyperaktivität und psychomotorische Defizite. 10g Koffein — das entspricht etwa 100 Tassen — gelten als tödliche Menge. Und das kann ja niemand wirklich trinken. Doch haben sich kritische Fälle durch die Einnahme in Form von Tabletten, Pulver und Energiedrinks ergeben.
Kleine Manufakturröstereien, die Decaf im Programm haben, arbeiten meist mit der Schweizer Wassermethode. Mittels diesem Verfahren kocht man die grünen Bohnen aus. In das Wasser gehen zahlreiche Inhaltsstoffe über, auch Koffein. Dieses filtert man mit Aktivkohlefiltern heraus und zurück bleibt immer noch mit Kaffeestoffen angereichertes Wasser. Allen weiteren Bohnen, die damit behandelt werden, wird nur mehr das Koffein entzogen — weil es darüber hinaus schon mit Inhaltsstoffen gesättigt ist. Das kostet zwar viel Wasser und Energie, doch verkauft es sich besser, weil keine synthetischen Chemikalien hinzugefügt werden.
Warum sollte man das tun?
Geschmacklich hinterlässt das Spuren. Nicht weil das Koffein fehlt — in Reinform als Pulver schmeckt es angeblich bitter — sondern, weil der Kaffee als Ganzes drunter leidet. Als jemand, der keine Probleme hat Koffein zu metabolisieren, ist man ja meist auf die aufmunternde Wirkung angewiesen. Denn — so ehrlich muss man schon sein — im Grunde genommen macht Kaffee nicht wach, sondern wirkt nur dem Entzug entgegen, der sich oft in der Früh, nach der längsten Trinkpause einstellt. Dieser macht sich in Müdigkeit bemerkbar, aber auch Grant, Kopfweh, später auch Gliederschmerzen und sogar Halluzinationen. Man ist also süchtig und kann es sich gar nicht leisten auf Koffein zu verzichten.
(Ich kann Schwangeren und stillenden Müttern keinen medizinischen Rat geben. Meiner Frau habe ich in diesen Fällen ohne Unterbrechung Kaffee gemacht — wenn sie auch von sich aus weniger bestellt hat. Es lässt sich nun nicht mehr entscheiden, ob die Kinder deshalb anstrengender sind, weil sie Droge abbekommen haben oder der Gesamtzustand erst recht unerträglich wäre, weil man sich nicht mal mit Kaffee zu helfen wüsste.)
Sind aber nicht eigentlich die Nicht-Süchtigen die wahren Feinschmecker? Sie trinken nicht Kaffee, um wach zu werden, sondern schlicht, weil er ihnen so gut schmeckt. Koffein trägt nicht zum Geschmack bei. Er ist keineswegs die Essenz von Kaffee, auch wenn der Name dies vermuten lässt, den er eher zufällig bekommen hat, weil man ihn in Kaffee isoliert hat. Auch Teein und Teobromim (im Kakao) sind im Grunde dieselben chemischen Stoffe nur in anderen Zusammensetzungen.
Gar nicht erst Koffein gedeihen lassen?
Unterschiedliche Kaffeepflanzen haben unterschiedliche Koffeingehälter. Robusta, der — nunja — vor allem robuster ist, wächst in niederen Regionen; ist im Gegensatz zum Hochlandkaffee besser zugänglich. Er kann leichter und mit mehr Ertrag geerntet werden. Im Kern entwickelt sich weniger Säure, was sich vielleicht weniger aggressiv anhört, aber vor allem weniger Geschmack bedeutet. Zu seinen Merkmalen gehört auch mehr Koffein. (Ein Unterschied, den ich geeichter Trinker deutlich spüre.) Das passt gut zum robusteren Charakter, denn Koffein muss sich in niederen Lagen, gegen mehr Insekten zu Wehr setzen.
Tendenziell wachsen in höheren Lagen feinere Kaffees. So entstehen Versuche auf dem Feld der Genetik den Koffeingehalt zu minimieren. Man kreuzt und kultiviert jene Varietäten (konkret heißen diese Laurina und Aramosa), um in ein paar Generationen ein vernachlässigbares Maß zu erreichen: Low-Caf nennt man das dann. Noch hatte ich keine Gelegenheit sowas zu probieren; es ist auch schwer zu bekommen, weil es sensible Pflänzchen und insgesamt nicht sehr ertragreiche Vorstöße sind.
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